The bards are out there...
1. Celtic Rock Open Air
Bergneustadt, Rathausplatz
31.08.2002
...hörte man es durch die Gassen der in dieser Hinsicht
sonst eher verschlafenen Kleinstadt im Oberbergischen
raunen. Und so strömte denn auch viel gaffend' Volk, ob
jung, ob alt, von nah und fern herbei um gegen einen Obulus
von 23 Euronen zu hören und zu sehen, was dort wohl geboten
würd'. Ein gut' Teil der Gaffer zeigte sich traditionell in
mittelalterliche Tracht gewandet, aber auch die Kluft der
Metal-Zunft war zahlreich zu bestaunen. Trotz mancher
Steine, die man dem Veranstalter von (be-)amtlicher Seite
vor und währen des Spektakulums in den Weg gelegt, ward
alles gut vorbereitet, bedrohliche Wolken ließen ab und zu
der Sonne Platz, und so konnt' es pünktlich um 15 Uhr
losgehen mit Spiel und Gesang.
Die Aufgabe der Anheizer hatten Sorrowsend,
ein junger Trupp aus dem nahen Engelskirchen. Nach einem
ruhigen Intro vom Band ging es recht rockig los, und nach
dem zweiten Stück waren dann auch die Gitarren perfekt
gestimmt. Für 45 Minuten wurde Rock mit mittelalterlichen
Rhythmen und Harmonien geboten, wobei der Kern der Band
immer wieder von zwei Trommlern sowie weiblichem Gesangs-
und Steicherparts unterstützt wurde; die Damen zeigten sich
übrigens gehüllt in das Gewand des Burgfräuleins. In
durchweg gutem Sound reichte das Spektrum von Balladen bis
hin zu härteren Klängen, die offenbar auch eher das Metier
der Musiker sind; auch ein Stück in der Elfensprache wurde
vorgetragen. Den Höhepunkt stellte dem Anlass entsprechend
der "Bard's Song" von Blind Guardian dar, der
routiniert fetzig und elektrischer als das Original
vorgetragen wurde, aber wenig Platz für die bekannten
Publikumschöre ließ. Das zunächst noch dünn gesäte Volk
sah über einige Unsicherheiten im Gesang gnädig hinweg und
zollte applaudierend Respekt.
Nach kurze Umbaupause enterten Schattenleben aus
Wuppertal die Bühne und legten von Beginn an eine etwas härtere
Gangart vor. Frontfrau Simone Schmidt an Keyboards, Schalmai
und engelsgleichen Vocals sorgte mit ihren Mitstreitern in
der nächsten knappen Stunde für Stimmung. Der Stil reichte
von Metal der gemäßigten Art mit Gothic-Einflüssen bis
hin zu mittelalterlichen Elementen (schön: das
Instrumentalstück "Schattengedanken"), die u.a.
von Dudelsack und Flöte getragen wurden. Kleinere
Schwierigkeiten mit einem Schlagzeug, das die Fallsucht
ereilen wollte, waren schnell gelöst. Immer wieder fielen
die schönen, gesanglichen Linien in der Gitarrenarbeit auf,
und am Ende dieses Ausflugs in rockige Gefilde brauchte das
Publikum nur sekundenlang um eine Zugabe betteln.
Alsdann ward' dem Volke schon beim Anblick des Bühnenumbaus
kundgetan, dass nun die Zeit für andere Klänge gekommen
sei. Was die mittelalterlichen Spielleute Wolfenmond hier
auffuhren, war schon ein rechter Augenschmaus. Auf
klassisches Rockequipment wurde verzichtet, dafür gab's
eine Vielzahl folkloristische Instrumente wie Dudelsäcke,
allerlei Flöten und Pfeifen, Drehleiern, Zittern, Lauten,
Schlagwerk aller Art und vieles mehr. Entsprechend waren die
Edlen gewandet, als sie unter standesgemäßem Wolfsgeheul
auf die Bühne kamen. Geboten wurde auffallend
rhythmusorientierter Folk, der überwiegend instrumental
vorgetragen wurde und dessen Ursprünge im 12. bis 14.
Jahrhundert anzusiedeln sind. Da gab es einen
"Weibertanz", einen "Hirtentanz", "Douze
dames jolie" (Zwölf wunderschöne Damen), Schloss
"Falkenstein" wurde besungen und das traurigste Stück
des Mittelalters kam zu Gehör. Alles mit beachtlich viel
Pepp und Drive aufbereitet, fast durchweg tanzbar und keine
Sekunde langweilig. Ein Augen- und Ohrenschmaus, für reine
Folkfans sicher das Highlight des Tages! Das Spiel der
Reckinnen und Recken wusste durchweg zu gefallen, und so
ward man dann auch mit reichlich Handgeklapper belohnt.
Metalheadz aufgewacht! Und auch ihr direkten Nachbarn,
falls ihr euch noch im stark verspäteten Mittagsschlaf
befindet! Orden Ogan aus Arnsberg lassen's richtig krachen!
Nach einem recht hymnischen Intro ließen die Sauerländer
ein Gemisch unterschiedlicher Metalstilarten von der Kette.
Was die Recken selbst als Fantasy-Metal bezeichnen,
entpuppte sich als leckere Rundreise durch die Gefilde des
Power- und Speedmetal mit progressiven Einflüssen und
Abstechern zu hymnischem Melodic Metal. Das klassische
Rocksetup wurde tatkräftig von einer Querflötistin unterstützt,
was dem ganzen den nötigen Folktouch verlieh. Balladen
wurden von streckenweise textfesten Publikum begeistert
mitgegrölt, und ansonsten ließ man - soweit vorhanden -
die Matte fliegen. Auch wenn das Auftreten von Frontmann
Sebastian Levermann manchmal etwas sehr poserhaft rüberkam:
singen kann er, und sein Sechssaiter weiß ihm gut zu
gehorchen. Besondere Anerkennung verdient der Tieftöner
Sebastian Severin, der sichtlich geschwächt von schwerer
Krankheit den Gig sitzend absolvierte. Zum Schluss bekam
sogar der Death Metal seine Chance, als in einem 30-sekünder
das Gefühlsleben einer Fliege beschrieben wurde, als sie
auf der Windschutzscheibe eines Autos Platz nimmt, das sich
mit 180 km/h nähert...
Moskote aus Goslar konnten ihr Fest erst nach kurzer Verzögerung
beginnen, weil einer Gitarre bei der Anreise ein Leids
widerfahren war. Das tat dem nachfolgenden Konzert der
sympathischen, mittelalterlich gewandeten Jungs und Mädels
aber keinen Abbruch. Gekonnt und ohne Längen wurde manch
alte Mär und Moritat in folkigen Metal mit deutschen Texten
verpackt und durch passende Geschichten ergänzt. Gitarre,
Bass und Drums, gepaart mit Streichern, Mandoline, Schalmai,
Querflöte usw. setzten u.a. Geschichten von
"Wittekind", einem "Feuerbarden" (mit
echtem Feuerspeier auf der Bühne) und aus dem "Walpurgis"-Umfeld
mystisch und mitreißend in Szene. Auf und vor der Bühne
hatte man sichtlich Spaß an jeder Minute des Auftritts; so
muss das sein! Das mittlerweile auf knapp 1 400 begeisterte
Hörer angewachsene Publikum konnte den Musici aber nur eine
Zugabe entlocken, denn schließlich sollte der Abend ja noch
weitergehen.
Über den Stil der Headliner In Extremo braucht es der
Worte nicht viel; schließlich sind diese Barden ja auch auf
den großen Bühnen Europas seit längerem heimisch (kürzlich
erst beim Wacken Open Air). Beim letzten Gig der Saison gab
man sich gewohnt martialisch in Wort, Bild und Ton,
angemessen laut, in bestem Sound und mit feinster Licht-,
Nebel- und Pyrotechnik - irgendwas stand eigentlich immer in
Flammen, manchmal auch das Schlagzeug. Das wirkt auf einer
vergleichsweise kleinen Bühne umso beeindruckender
("Ich hasse kleine Bühnen, weil man da immer Dudelsäcke
an den Kopf kriegt..."). Harter, treibender Rock mit
tiefgestimmten Gitarren und einer Vielzahl selbstgebauter
mittelalterlicher Instrumente zwingt je nach Alter, Zustand
und Vorlieben zum Schunkeln, Hüpfen, Headbangen. Wo das mal
überhand nimmt, wird von der Bühne aus kurz und überzeugend
geschlichtet.
In knapp zwei Stunden wurde überwiegend vom Silberling
"Verehrt und angespien" sowie vom aktuellen Album
"Sünder ohne Zügel" aufgespielt und vom
teilweise textfesten Publikum begeistert gefeiert. Von
Feuerjonglage und artistischen Turneinlagen aufgelockert gab
es z.B. "Stetit Puella", "Die
Lebensbeichte", mehrere Mengen "Merseburger
Zaubersprüche", "Wind", "Der
Spielmannsfluch", "Vollmond" oder "Die
Gier". Bei "Werd' ich am Galgen hochgezogen"
wusste auch das Publikum "...wie schwer mein Arsch
gewogen". Besonders schön: "Über den
Wolken", eine Rachehymne an den Tod darselbst. Erst
nach vier Zugaben - kurz bevor die Turmuhr auf die Zwölf
traf - wurden die Extremisten widerwillig von der Bühne
entlassen, und mit ihnen die Feste Neustadt in die amtlich
verordnete Nachtruhe. Ein rundum gelungenes Fest, das nach
mehr verlangt - vielleicht ja beim 2. Celtic Rock Open Air
in Bergneustadt...?
Quelle: www.gaesteliste.de
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